Eine am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführte Studie stellt fest, dass die psychische Gesundheit von Lehrkräften in Baden-Württemberg deutlich schlechter ist als die der Gesamtbevölkerung. Die Folgerung der Forscher:innen lautet: Bessere Erhebung von Risiken und zielführende Angebote zum Erhalt der psychischen Gesundheit von Lehrkräften.

Eigentlich suchten sie nach einem geeigneten Instrument zur Untersuchung der psychischen Gesundheit von Lehrkräften. Was sie jedoch fanden, ging weit darüber hinaus: Lehrkräfte sind psychisch deutlich mehr belastet als die Gesamtbevölkerung in Deutschland. Dies äußert sich beispielsweise in einem dauerhaften Empfinden von Druck, Freudlosigkeit und fehlender Lebenszufriedenheit, wie eine Studie von Sarah Susanne Lütke Lanfer, Ruth Pfeifer, Claas Lahmann und Alexander Wünsch zeigt.

Datenerhebung zu psychischer Gesundheit braucht passende Werkzeuge

Aus vorangegangenen Studien in verschiedenen Ländern war bereits bekannt, dass sich Lehrkräfte durch Arbeitspensum, Verwaltungsaufgaben, nicht ausreichende Pausenzeiten sowie negative Erfahrungen mit Lernenden, Eltern und Kolleg:innen belastet fühlen. Mangelnde psychische Gesundheit führt dabei nicht nur zu Ausfällen, sondern auch zu einem Abfallen der Bildungs- und Beziehungsqualität. Die Forscher:innen haben daher das Freiburger Modell für Lehrer-Coaching entwickelt, in dem soziale Unterstützung, das Überdenken eigener Muster bei der Bewältigung von Herausforderungen, das Erlernen von Entspannungstechniken sowie Wissen über neurowissenschaftliche Aspekte im Mittelpunkt stehen. Um den Erfolg bei der Vorbeugung psychischer Erkrankungen sinnvoll messen zu können, überprüften die Wissenschaftler:innen, ob der General Health Questionnaire-12 (GHQ-12), ein Fragebogen mit zwölf Fragen zur psychischen Gesundheit, auch für Lehrkräfte geeignet ist.

Repräsentative Stichproben für Gesamtbevölkerung und Lehrkräfte

GHQ-12 ist in verschiedene Sprachen übersetzt worden und wurde auch für Deutschland bereits 2013 von Matthias Romppel, Elmar Braehler, Marcus Roth und Heide Glaesmer überprüft. Mehr als 3000 Menschen zwischen 14 und 93 Jahren nahmen damals an ihrer Studie teil. So entstand eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung in Deutschland. An der Studie der Gruppe um Lütke Lanfer hingegen nahmen zwischen 2012 und 2020 etwa 4000 Lehrkräfte aus dem Freiburger Coaching-Programm teil, mehr als 80 % davon weiblich. Auch verschiedene Altersgruppen, Schularten und Lebenssituationen sind vertreten. Damit ist die Stichprobe zwar nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, wohl aber für Lehrkräfte. Ein Vergleich der psychischen Gesundheit von Lehrkräften mit der der Gesamtbevölkerung ist damit möglich und sinnvoll.

Erhöhtes Risiko für emotionale Erschöpfung, Depression und Burnout

GHQ-12 erhebt Werte zu psychischer Gesundheit durch Selbsteinschätzung auf einer Skala von 0 bis 3. 0 steht dabei für die geringste psychische Belastung, 3 für die höchste. Vergleicht man die Werte von Lehrkräften mit denen der Gesamtbevölkerung, so fällt auf, dass Lehrkräfte in fast allen Bereichen stärker belastet sind (s. Abbildung):

  • Lehrkräfte haben stärker das Gefühl, dauerhaft unter Druck zu stehen.
  • Sie gehen ihren Alltagsverpflichtungen mit weniger Freude nach.
  • Insgesamt fühlen sie sich weniger zufrieden.
  • Sie können sich weniger gut auf das, was sie tun, konzentrieren.
  • Aufgrund von Sorgen schlafen sie weniger.
  • Sie fühlen sich häufiger unglücklich und deprimiert.
  • Sie haben den Eindruck, mit Schwierigkeiten schlechter zurechtzukommen.
  • Sie haben häufiger das Gefühl, nutzlos zu sein.
  • Es fällt ihnen schwerer, Entscheidungen zu treffen.

Damit haben Lehrkräfte ein höheres Risiko für emotionale Erschöpfung, psychische Erkrankungen und Burnout. Ältere Lehrkräfte sind dabei belasteter als jüngere. Andererseits gelingt es Lehrkräften jedoch besser, sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen, und es kommt seltener vor, dass sie sich wertlos fühlen. Mangelndes Selbstvertrauen ist bei Lehrkräften etwa ebenso häufig wie in der Gesamtbevölkerung.

Balkendiagramm zu Unterschieden zwischen Lehrkräften und Gesamtbevölkerung
Psychische Gesundheit bei Lehrkräften und in der Gesamtbevölkerung: Vergleich von Daten aus Romppel et al. (2013) und Lütke Lanfer et al. (2022); Unterschiede wurden nicht auf statistische Signifikanz getestet

Forscher:innen empfehlen strukturelle Prävention

Die Forscher:innen leiten aus den Daten die folgenden Empfehlungen ab:

  • Die psychische Gesundheit von Lehrkräften sollte engmaschig überprüft werden, um zu erkennen, welche Zeiten die belastendsten sind.
  • Lehrkräften oder Lehrkräftegruppen mit besonders hohen Belastungen sollte die Teilnahme an Präventionsprogrammen angeboten und ermöglicht werden.
  • Strukturell müssen Wege gefunden werden, um die psychische Gesundheit von Lehrkräften zu fördern und Stress abzubauen.

Fallstricke bei der Umsetzung im Alltag

Doch wie können diese Vorschläge der Forscher:innen im Alltag umgesetzt werden? Hier gibt es ist einiges zu beachten:

  • Es ist leider oft nicht im Interesse der Lehrkräfte, dass vorgesetzte Stellen über das Vorliegen psychischer Belastungen informiert werden. Es muss daher sichergestellt sein, dass die Erhebungen vollständig anonymisiert werden und auch Hilfe im anonymisierten Rahmen angeboten wird.
  • Wenn Lehrkräfte Hilfsangebote auf der Grundlage vorangegangener Erhebungen in Anspruch nehmen, so führt dies möglicherweise zu Stigmatisierung: Die Anonymisierung wäre aufgehoben. Sinnvoller wäre, allen Lehrkräften Präventionsprogramme anzubieten, und zwar im Rahmen der Arbeitszeit. Supervision, Intervision und Präventionsprogramme müssen Bestandteil des Alltags von Lehrkräften werden – und zwar unabhängig von akuter psychischer Belastung.
  • Notwendige strukturelle Veränderungen betreffen viele Bereiche, die ein Risiko für die psychische Gesundheit darstellen: Anzahl der Arbeitsstunden, Arbeitsverdichtung durch immer mehr unterrichtsfremde Tätigkeiten, Zahl der Kontakte durch größer werdende Klassen, mangelnde Selbstbestimmung.

Vor allem jedoch muss anerkannt werden, dass Lehrkräfte über ein normales Maß hinaus psychisch belastet sind. Einer belasteten Lehrkraft kann damit klar werden, dass sie keine Ausnahme bildet. Es wäre schön, wenn sich diese Erkenntnis in Kollegien durchsetzen und zu einem offeneren Diskurs führen würde.

Lütke Lanfer, S. S., R. Pfeifer, C. Lahmann & A. Wünsch (2022). How to measure the mental health of teachers? Psychometric properties of the GHQ-12 in a large sample of German teachers. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19(15), 9708.

Romppel, M., E. Braehler, M. Roth & H. Glaesmer (2013). What is the General Health Questionnaire-12 assessing? Dimensionality and psychometric properties of the General Health Questionnaire-12 in a large scale German population sample. Comprehensive Psychiatry, 54(4), 406-413.