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Burnout und körperliche Erkrankungen hängen zusammen: “Wir verlassen uns darauf, dass Lehrkräfte sich einen *** um sich selbst kümmern.”

Seit Jahren wird in den USA über ‚The Great Teacher Resignation‘, die große Lehrkräfteflucht, gesprochen. „Die Bildungskrise war schon lange vor Covid da“, sagt Anna Sutter, ehemalige Lehrerin und schulische Beraterin, in einem von der New York Times veröffentlichten Video-Kommentar von Agnes Walton und Nic Pollock. „Ich hielt 100 Bälle gleichzeitig in der Luft, hatte aber nur Kapazität für 25.“ Daten der OECD zeigen, dass bereits 2016 – also Jahre vor der Covid-Pandemie – ein beträchtlicher Teil der Lehrkräfte den Beruf verließ. Deutschland hingegen sieht sich noch immer gut gegen dieses Phänomen gewappnet. Deutsche Lehrkräfte sind doch gut bezahlt. Die meisten von ihnen sind fest angestellt, sogar verbeamtet. Was sollte sie denn belasten?

Doch wie andere Länder hat auch Deutschland einen Mangel an Lehrkräften zu verzeichnen. Einige Bundesländer haben sich eine Lösung einfallen lassen: Teilzeitmöglichkeiten – häufig von Lehrkräften gewählt, um psychische und physische Belastungen durch den Beruf zu reduzieren – wurden eingeschränkt. Dies wird teure Folgen haben, denn Burnout bei Lehrkräften hängt mit körperlichen Erkrankungen zusammen, wie eine Metastudie von Daniel J. Madigan, Lisa E. Kim, Hanna L. Glandorf und Owen Kavanagh von der York St. John University und der University of York, Großbritannien, zeigt.

Burnout bei Lehrkräften betrifft Länder auf der ganzen Welt

Burnout nennt man einen Zustand, der sich entwickelt, wenn ein Mensch chronischem arbeitsbedingtem Stress ausgesetzt ist. Die betroffene Person fühlt sich emotional erschöpft, reagiert möglicherweise mit Zynismus, und die Leidenschaft, die sie einst für ihren Beruf empfand, lässt nach. Sie fühlt sich weniger kompetent als früher. Infolgedessen hat sie den Eindruck, weniger leisten zu können.

Für ihre Untersuchung, wie Burnout mit körperlichen Erkrankungen bei Lehrkräften zusammenhängt, haben Madigan und seine Kolleg:innen 21 Studien mit insgesamt mehr als 5.000 Lehrkräften ausgewertet. Diese kamen aus Brasilien, Kanada, China, Deutschland, Luxemburg, Polen, Südafrika, der Slowakei, Spanien, der Ukraine und den USA. Fast 60 Prozent von ihnen waren weiblich. Im Durchschnitt waren sie 43,3 Jahre alt und unterrichteten seit 14,4 Jahren. In einigen Studien war Burnout eine kategoriale Variable, d. h. die Lehrkräfte wurden in zwei Gruppen eingeteilt, je nachdem, ob sie stärkere oder schwächere Burnout-Symptome aufwiesen. In anderen Studien wurde Burnout als Kontinuum mit abgestuften Werten dargestellt. Zur Messung der Burnout-Symptome verwendeten die meisten Studien das Maslach Burnout Inventory, welches drei Dimensionen umfasst:

  • Emotionale Erschöpfung (Gefühl emotionaler Überforderung, die durch den Arbeitsplatz verursacht wird)
  • Depersonalisierung (unpersönliche und scheinbar gefühllose Reaktion auf Beruf und Schüler:innen)
  • Persönliche Leistung (Gefühl von Kompetenz und Erfolg).

Burnout hängt mit einer Vielzahl körperlicher Erkrankungen zusammen

Wie bei anderen Berufen steht Burnout auch bei Lehrkräften in Zusammenhang mit einer Vielzahl körperlicher Beschwerden. Lehrkräfte mit schwereren Burnout-Symptomen leiden häufig unter Kopfschmerzen, teils auch Migräne. Sie haben Rückenschmerzen, Hauterkrankungen und Beschwerden des Verdauungstrakts. Eine davon kann Gastroenteritis sein, eine Entzündung des Magens und/oder des Darms. Ein Problem, unter dem Lehrkräfte häufiger als die meisten anderen Berufsgruppen leiden, betrifft ihre Stimme. Bei einigen kann es zum vollständigen Stimmverlust kommen. Auch leiden Lehrkräfte unter craniomandibulärer Dysfunktion (CMD), einer Störung der Kiefermuskulatur, die zu Schwierigkeiten beim Sprechen und Essen, zu Schmerzen, Tinnitus und Schwindel führen kann.

Auch Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems stehen mit Burnout bei Lehrkräften in Zusammenhang. So wurde Burnout mit höherer Aktivität des Sympathikus in Verbindung gebracht. Dieser ist für die Erhöhung der Herzfrequenz in Stresssituationen verantwortlich. Lehrkräfte mit Burnout-Symptomen wiesen also eine erhöhte Herzfrequenz auf. Andererseits stand Burnout in einem negativen Zusammenhang mit der Aktivität des Parasympathikus, der für die Kontrolle der Herzfrequenz in Ruhezeiten verantwortlich ist. Ruhe und Erholung funktionierten bei Lehrkräften mit Burnout-Symptomen also weniger gut.

Körperliche Erkrankungen bei Lehrkräften mit starken Burnout-Symptomen
Körperliche Erkrankungen bei Lehrkräften mit starken Burnout-Symptomen

Burnout bei Lehrkräften wirkt sich auf ihren Cortisolspiegel aus. Cortisol ist ein Hormon, das beim gesunden Menschen seine Reaktionen auf Stress, den Blutdruck, Blutzucker und den Stoffwechsel reguliert. Chronischer Stress kann zwei verschiedene Auswirkungen auf den Cortisolspiegel haben. Zunächst ist dieser erhöht, da der Körper um die Regulation seiner Stressreaktionen kämpft. Je länger dies jedoch andauert, desto weniger Cortisol wird produziert, und der Cortisolspiegel sinkt unter den bei gesunden Menschen üblichen Wert. Es ist daher nicht überraschend, dass Burnout bei Lehrkräften sowohl mit über- als auch mit unterdurchschnittlichen Cortisolwerten in Verbindung gebracht wurde.

Burnout beeinflusst auch Zytokine. Zytokine sind Proteine, die als Botenstoffe zwischen den Zellen des Immunsystems fungieren. Sie sind für die Reaktion des Körpers auf Infektionen, Entzündungen und auch Krebs verantwortlich. Lehrkräfte mit starken Burnout-Symptomen zeigten schwächere entzündungshemmende und stärkere entzündungsfördernde Reaktionen. In anderen Worten: Ihr Körper bekämpft Krankheiten nicht nur weniger gut, sondern trägt sogar zur Entwicklung neuer entzündlicher Erkrankungen bei.

Wege in die körperliche Krankheit: Immunsystem, Stressreaktion, ungesundes Verhalten

Die Forscher:innen nehmen drei verschiedene Verbindungen zwischen Burnout und körperlicher Erkrankung an. Einerseits kann Stress dazu führen, dass das Immunsystem einer Person geschwächt wird. Darüber hinaus ist der Körper nicht mehr in der Lage, auf Stress in angemessener Weise zu reagieren. Nicht zuletzt kann chronischer Stress dazu führen, dass eine Person mehr ungesunde Verhaltensweisen an den Tag legt, als sie dies normalerweise tun würde. Dies betrifft beispielsweise Tabak- und Alkoholkonsum, die wiederum zu gesundheitlichen Problemen führen.

Es überrascht nicht, dass Burnout und die damit verbundenen körperlichen Erkrankungen das persönliche Leben von Lehrkräften in vielfältiger Weise beeinträchtigen. Sie beeinflussen Stimmung, allgemeine Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit und führen so zu langfristigen physischen und psychischen Erkrankungen. Zu den zwischenmenschlichen Folgen zählen Konflikte, Reizbarkeit und eine verminderte Kommunikationsfähigkeit. Vor allem letztere wirkt sich auch auf die Qualität des Unterrichts und das Wohlbefinden der Schüler:innen aus.

Wenn wir Burnout bei Lehrkräften ignorieren, werden wir dafür einen hohen Preis zahlen

Die Forscher:innen betonen, dass ein größeres Bewusstsein für die Folgen von Burnout bei Lehrkräften notwendig ist. Als mögliche Interventionen nennen sie Achtsamkeit und Programme, die auf kognitiv-verhaltenstherapeutischem, sozialem und emotionalem Lernen basieren. Sie fügen jedoch hinzu, dass auch auf organisatorischer Ebene Änderungen erforderlich sind: „Angesichts der potenziellen Kosten, die Burnout für die körperliche Gesundheit und damit verbundene Probleme mit sich bringt, ist es wahrscheinlich, dass der Nutzen von Interventionen erheblich ist und möglicherweise die Kosten übersteigt.“

Dennoch scheinen nur wenige Länder diesen Ansatz ernsthaft in Betracht zu ziehen. „Wir verlassen uns darauf, dass Lehrkräfte sich einen *** um sich selbst kümmern“, sagt Anna Sutter. „Wir verlassen uns darauf, dass Lehrkräfte nicht für sich selbst sorgen. Wir verlassen uns darauf, dass Lehrkräfte ihren Wert nicht kennen und nicht wissen, wie sie es verdienen würden, behandelt zu werden.“ Diese Ignoranz wird einen hohen Preis haben.

Madigan, D. J., L. E. Kim, H. L. Glandorf & O. Kavanagh (2023). Teacher burnout and physical health: A systematic review. International Journal of Educational Research, 119, 102173.

Psychische Gesundheit von Lehrkräften deutlich schlechter als in der Gesamtbevölkerung

Eine am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführte Studie stellt fest, dass die psychische Gesundheit von Lehrkräften in Baden-Württemberg deutlich schlechter ist als die der Gesamtbevölkerung. Die Folgerung der Forscher:innen lautet: Bessere Erhebung von Risiken und zielführende Angebote zum Erhalt der psychischen Gesundheit von Lehrkräften.

Eigentlich suchten sie nach einem geeigneten Instrument zur Untersuchung der psychischen Gesundheit von Lehrkräften. Was sie jedoch fanden, ging weit darüber hinaus: Lehrkräfte sind psychisch deutlich mehr belastet als die Gesamtbevölkerung in Deutschland. Dies äußert sich beispielsweise in einem dauerhaften Empfinden von Druck, Freudlosigkeit und fehlender Lebenszufriedenheit, wie eine Studie von Sarah Susanne Lütke Lanfer, Ruth Pfeifer, Claas Lahmann und Alexander Wünsch zeigt.

Datenerhebung zu psychischer Gesundheit braucht passende Werkzeuge

Aus vorangegangenen Studien in verschiedenen Ländern war bereits bekannt, dass sich Lehrkräfte durch Arbeitspensum, Verwaltungsaufgaben, nicht ausreichende Pausenzeiten sowie negative Erfahrungen mit Lernenden, Eltern und Kolleg:innen belastet fühlen. Mangelnde psychische Gesundheit führt dabei nicht nur zu Ausfällen, sondern auch zu einem Abfallen der Bildungs- und Beziehungsqualität. Die Forscher:innen haben daher das Freiburger Modell für Lehrer-Coaching entwickelt, in dem soziale Unterstützung, das Überdenken eigener Muster bei der Bewältigung von Herausforderungen, das Erlernen von Entspannungstechniken sowie Wissen über neurowissenschaftliche Aspekte im Mittelpunkt stehen. Um den Erfolg bei der Vorbeugung psychischer Erkrankungen sinnvoll messen zu können, überprüften die Wissenschaftler:innen, ob der General Health Questionnaire-12 (GHQ-12), ein Fragebogen mit zwölf Fragen zur psychischen Gesundheit, auch für Lehrkräfte geeignet ist.

Repräsentative Stichproben für Gesamtbevölkerung und Lehrkräfte

GHQ-12 ist in verschiedene Sprachen übersetzt worden und wurde auch für Deutschland bereits 2013 von Matthias Romppel, Elmar Braehler, Marcus Roth und Heide Glaesmer überprüft. Mehr als 3000 Menschen zwischen 14 und 93 Jahren nahmen damals an ihrer Studie teil. So entstand eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung in Deutschland. An der Studie der Gruppe um Lütke Lanfer hingegen nahmen zwischen 2012 und 2020 etwa 4000 Lehrkräfte aus dem Freiburger Coaching-Programm teil, mehr als 80 % davon weiblich. Auch verschiedene Altersgruppen, Schularten und Lebenssituationen sind vertreten. Damit ist die Stichprobe zwar nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, wohl aber für Lehrkräfte. Ein Vergleich der psychischen Gesundheit von Lehrkräften mit der der Gesamtbevölkerung ist damit möglich und sinnvoll.

Erhöhtes Risiko für emotionale Erschöpfung, Depression und Burnout

GHQ-12 erhebt Werte zu psychischer Gesundheit durch Selbsteinschätzung auf einer Skala von 0 bis 3. 0 steht dabei für die geringste psychische Belastung, 3 für die höchste. Vergleicht man die Werte von Lehrkräften mit denen der Gesamtbevölkerung, so fällt auf, dass Lehrkräfte in fast allen Bereichen stärker belastet sind (s. Abbildung):

  • Lehrkräfte haben stärker das Gefühl, dauerhaft unter Druck zu stehen.
  • Sie gehen ihren Alltagsverpflichtungen mit weniger Freude nach.
  • Insgesamt fühlen sie sich weniger zufrieden.
  • Sie können sich weniger gut auf das, was sie tun, konzentrieren.
  • Aufgrund von Sorgen schlafen sie weniger.
  • Sie fühlen sich häufiger unglücklich und deprimiert.
  • Sie haben den Eindruck, mit Schwierigkeiten schlechter zurechtzukommen.
  • Sie haben häufiger das Gefühl, nutzlos zu sein.
  • Es fällt ihnen schwerer, Entscheidungen zu treffen.

Damit haben Lehrkräfte ein höheres Risiko für emotionale Erschöpfung, psychische Erkrankungen und Burnout. Ältere Lehrkräfte sind dabei belasteter als jüngere. Andererseits gelingt es Lehrkräften jedoch besser, sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen, und es kommt seltener vor, dass sie sich wertlos fühlen. Mangelndes Selbstvertrauen ist bei Lehrkräften etwa ebenso häufig wie in der Gesamtbevölkerung.

Balkendiagramm zu Unterschieden zwischen Lehrkräften und Gesamtbevölkerung
Psychische Gesundheit bei Lehrkräften und in der Gesamtbevölkerung: Vergleich von Daten aus Romppel et al. (2013) und Lütke Lanfer et al. (2022); Unterschiede wurden nicht auf statistische Signifikanz getestet

Forscher:innen empfehlen strukturelle Prävention

Die Forscher:innen leiten aus den Daten die folgenden Empfehlungen ab:

  • Die psychische Gesundheit von Lehrkräften sollte engmaschig überprüft werden, um zu erkennen, welche Zeiten die belastendsten sind.
  • Lehrkräften oder Lehrkräftegruppen mit besonders hohen Belastungen sollte die Teilnahme an Präventionsprogrammen angeboten und ermöglicht werden.
  • Strukturell müssen Wege gefunden werden, um die psychische Gesundheit von Lehrkräften zu fördern und Stress abzubauen.

Fallstricke bei der Umsetzung im Alltag

Doch wie können diese Vorschläge der Forscher:innen im Alltag umgesetzt werden? Hier gibt es ist einiges zu beachten:

  • Es ist leider oft nicht im Interesse der Lehrkräfte, dass vorgesetzte Stellen über das Vorliegen psychischer Belastungen informiert werden. Es muss daher sichergestellt sein, dass die Erhebungen vollständig anonymisiert werden und auch Hilfe im anonymisierten Rahmen angeboten wird.
  • Wenn Lehrkräfte Hilfsangebote auf der Grundlage vorangegangener Erhebungen in Anspruch nehmen, so führt dies möglicherweise zu Stigmatisierung: Die Anonymisierung wäre aufgehoben. Sinnvoller wäre, allen Lehrkräften Präventionsprogramme anzubieten, und zwar im Rahmen der Arbeitszeit. Supervision, Intervision und Präventionsprogramme müssen Bestandteil des Alltags von Lehrkräften werden – und zwar unabhängig von akuter psychischer Belastung.
  • Notwendige strukturelle Veränderungen betreffen viele Bereiche, die ein Risiko für die psychische Gesundheit darstellen: Anzahl der Arbeitsstunden, Arbeitsverdichtung durch immer mehr unterrichtsfremde Tätigkeiten, Zahl der Kontakte durch größer werdende Klassen, mangelnde Selbstbestimmung.

Vor allem jedoch muss anerkannt werden, dass Lehrkräfte über ein normales Maß hinaus psychisch belastet sind. Einer belasteten Lehrkraft kann damit klar werden, dass sie keine Ausnahme bildet. Es wäre schön, wenn sich diese Erkenntnis in Kollegien durchsetzen und zu einem offeneren Diskurs führen würde.

Lütke Lanfer, S. S., R. Pfeifer, C. Lahmann & A. Wünsch (2022). How to measure the mental health of teachers? Psychometric properties of the GHQ-12 in a large sample of German teachers. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19(15), 9708.

Romppel, M., E. Braehler, M. Roth & H. Glaesmer (2013). What is the General Health Questionnaire-12 assessing? Dimensionality and psychometric properties of the General Health Questionnaire-12 in a large scale German population sample. Comprehensive Psychiatry, 54(4), 406-413.